Frauen-Power im Doppelpack! Mit dem „Ad Girls Club Manifest“ kämpfen Isabel Gabor und Lisa Eppel gegen Sexismus in der Werbebranche und konnten bereits 30 deutsche Agenturen davon überzeugen mit ihrer Unterstützung einen „Safe Space“ für Mitarbeiterinnen zu schaffen. Aufgrund ihres großartigen Einsatzes wurden Isabel & Lisa von der Kunden-Jury in der Kategorie „Brave Heart“ von THE BEST AGENCY 2022 für ihr Engagement ausgezeichnet. Nominiert wurde das Duo von Oliver Busch, Director DACH –  Meta. Sarah de Oliveira Moreira hatte die Möglichkeit mit den Dreien zu sprechen.

Isabel Gabor (links) & Lisa Eppel (rechts)

Sarah: Lisa, Isabel, was seht ihr aktuell als größte Herausforderung der Agentur-Branche?

Isabel: Die Probleme entstehen eigentlich wie aus einer Kettenreaktion. Wir haben eine krassen Fachkräftemangel. Gleichzeitig haben Agenturen natürlich auch interne Probleme, die sich nicht gerade positiv auf die Attraktivität der Branche auswirken. Und da gehört auch das Sexismus-Problem dazu.

Lisa: In einer unserer Umfragen kam klar raus, dass Sexismus ein Punkt für viele ist die Branche zu verlassen. Aber das ist nicht natürlich nicht alles. Es ist eine „White Parade“, privilegiert ohne Ende. Da wurden in der Vergangenheit schon tolle Brave Hearts ausgezeichnet und es werden bestimmt auch noch viele nach uns kommen, die das breitere Feld weiter beackern werden.

Sarah: Oliver, was zeichnet deiner Meinung einen Brave Heart aus?

Oliver: Ein Brave Heart ist in meinen Augen eine Agentur-Persönlichkeit, die etwas Besonderes geschaffen hat. Mit Charisma. Mit Mut. Nicht nur für sich. Sondern über die eigenen Interessen hinaus. Ein Vorbild für diese Branche. Und noch wichtiger: für diese ZEIT.

Sarah: Warum hast du Lisa und Isabel als Brave Heart nominiert?

Oliver: Diese beiden mutigen Agentur-Persönlichkeiten haben für die Gleichberechtigung der deutschen Agenturbranche mehr getan als jede vorherige Feminismus-Kampagne, Paneldiskussion oder Berichterstattung zu Gender-Paygaps und Skandalen. Sie haben mutig ihre Jobs riskiert und nachhaltig Ihre kommunikativen Mittel genutzt, um unsere Branche auf eine Reise zu bringen. Sie haben eine Auseinandersetzung mit den hauseigenen Werten erzwungen und – bestens dokumentiert – Veränderungen in Boards großer deutscher Agenturen beschleunigt. Sie helfen der “Werbung” wieder eine begehrliche Branche für Talente zu werden, um Bemerkenswertes zu schaffen. Allianzen der Produzenten, aus der IT, Musik und eSports holen Rat vom Ad Girls Club.

Sarah: Lisa, Isabel, wie ist es zu der Gründung des Ad Girls Clubs gekommen?

Lisa: Vor 2 Jahren gab es einen großen Sexismus Shit-Storm in einer Agentur, der aber auch jede andere Agentur hätte treffen können. Eine Agentur trifft es und alle anderen freuen sich, dass es sie nicht getroffen hat. Das hat uns geärgert. Wir wollten nicht, dass das Ganze nach 3 Tagen wieder abebbt, also haben uns zum „Pöbeln“ verabredet, einen Instagram-Account gestartet und unserer Wut rausgelassen. Sexismus ist ein Thema, das sehr emotional diskutiert wird und oft als Einzelerfahrung abgetan oder als Übertreibung herabgewertet wird. Wir haben uns über unsere Erfahrungen und die Erfahrungen anderer ausgetauscht und um den Vorwurf des Einzelfalls zu entkräftigen, haben wir eine Umfrage gestartet.

Sarah: Wie viele Leute haben an der Umfrage teilgenommen und was hat sie ergeben?

Lisa: Obwohl wir ein total unbekannter Instagram Kanal waren, haben über 600 Personen bei der Umfrage mitgemacht. Wir hatten 2 Influencerinnen, die uns zufällig gefunden und gepuscht haben. Anhand der Ergebnisse haben wir schnell erkannt, dass es einen großen Need gibt. Wir hatten in der Umfrage ein Feld, in dem man seine persönlichen Erfahrungen niederschreiben konnte – die waren teilweise echt schlimm. Aus dieser ersten Umfrage ging das Gefühl der Verantwortung einher nicht nur zu „pöbeln“, sondern auch Aufklärungsarbeit zu leisten.

Isabel: Auf den Ergebnissen der Umfrage haben wir dann unsere komplette Agenda aufgebaut. Es bringt nichts zu erzählen, was 2 Girls erlebt haben. Erst durch die Erlebnisse der Mitarbeiter*innen und die Umfrage hatten wir eine Beweislast, um das Problem in der Branche aufzuzeigen. Und als Vertretung der Mitarbeiter*innen benötigt es halt auch eine gewisse Ernsthaftigkeit. Wir haben ursprünglich nicht gedacht, dass wir jetzt die Werbebranche verändern werden. Wir wollten einfach einen Finger in die Wunde stecken, weil wir sauer waren. Dieses “ohne Erwartung an die Sache rangehen” hatte definitiv auch einen Einfluss darauf, dass wir jetzt da sind, wo wir sind.

Sarah: Aus der Umfrage ist eure Agenda entstanden, also das Ad Girls Club Manifest. Was beinhaltet dieses für Punkte?

Isabel: Als der Shitstorm aufgezogen ist haben viele Agenturen gesagt „Bei uns ist alles toll!“ Das haben wir nicht geglaubt, aber wir hatten keine Handhabe, wenn doch mal was passiert wäre. Also haben wir uns eine Lösung für die Branche überlegt, die uns noch mehr Einfluss gibt, um Mitarbeiter*innen zu helfen. Unter der Herausforderung, dass es super viele unterschiedliche Werbeagenturen gibt – von sehr kleinen bis sehr großen, ist dann in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Agenturen das Ad Girls Club Manifest entstanden. Wir haben es auch gemeinsam mit Agenturen geschrieben, um mehr Perspektiven hineinzubekommen.

Lisa: Bei dem Manifest setzen wir eine Grundhaltung voraus: „Wir wollen eine Werbebranche ohne Sexismus“. Wir setzen keine Zielzeiten, z.B. dass alles innerhalb eines Jahres jeder Punkt erfüllt sein muss. Aktivismus und Realismus müssen einhergehen und es muss für jeden realisierbar sein. Das Manifest ist kein Aktionsplan, sondern zeigt das Ziel auf. Den Weg und die Milestones müssen die Agenturen selbst definieren. Wir wollen erstmal die Basics herstellen:

  1. Wir brauchen eine Frauenquote! Die GWA Diversity Studie, hat gezeigt, dass die Agentur-Branche weiblich dominiert ist. 60% der Mitarbeitenden besteht aus Frauen aber nur 18% sitzen in der Geschäftsführung. Wer bei uns auf dem Manifest steht muss sich zu einer Frauenquote von 50% bekennen ab Director-Level.
  2. Wir wollen keinen Gender Pay Gap.
  3. Kind und Karriere. Im Austausch mit unserer Community kam das Thema “Kind & Karriere” immer wieder auf. So war es uns wichtig, dass im Manifest auch an Eltern gedacht wird. Und Agenturen explizit auch z.B. Teilzeitmodelle für Väter fördern.
  4. Ansprechtpartner*innen. Die Relevanz dieses Punktes hat unsere Umfrage 2020 gezeigt. Damals haben 42% der Teilnehmer*innen angegeben, dass sie sexuelle Belästigung erlebten aber nur 45% hatten oder kannten eine vertrauensvolle Ansprechperson im Unternehmen. Unser Manifest schreibt vor, dass Ansprechpersonen in den Agenturen nicht nur vorhanden sein sollten, sondern auch für diese sensible Aufgabe ausgebildet sind.
  5. Gendersensible Sprache. Wir wollen niemanden exkludieren, deswegen fordern wir, dass intern sowie auch extern gendersensible Sprache verwendet wird.

Sarah: Viele Agenturen haben dieses Manifest mittlerweile unterschrieben. Inwiefern begleitet ihr die Agenturen ab dem Zeitpunkt der Unterschrift auf dem Ad Girls Club Manifest?

Isabel: Zunächst müssen sich Agenturen bei uns bewerben, um auf das Manifest zu kommen, wir drängen es niemandem auf. Dann gucken wir uns die Zahlen an. Wie ist die Frauenquote aktuell, gibt es einen Gender Pay Gap, was für Maßnahmen gibt es, etc. Wir machen auch interne Mitarbeitendenbefragungen. Dann gucken wir jedes Jahr wieder auf die Zahlen. Hat sich etwas verbessert, ist es schlechter geworden oder stagniert die Situation? Dann können wir auch die Probleme vergleichen. Wenn es beispielsweise ein Problem in mehreren Agenturen gibt, holen wir alle zusammen und gucken, wie wir daran arbeiten können. Es geht uns nicht darum zu kontrollieren, ob ein Mann zu viel in der Geschäftsführung sitzt. Für uns ist das Wichtigste, dass wir kontinuierlich daran arbeiten etwas zu verbessern. Wenn es Vorfälle gibt und Betroffene uns kontaktieren, haben wir den Kontakt zur Geschäftsführung und das Manifest in der Hand, um zu sagen: „Ihr habt das Manifest unterschrieben. Hier läuft was nicht gut, lösen wir das jetzt“.

Lisa: Wir begleiten die Agenturen auch über das Jahr. Teil des Manifests zu sein, bedeutet nichteinfach nur ein Logo drauf zu haben. Jedes Quartal gibt es ein Netzwerktreffen für alle teilnehmenden Agenturen. Wir haben Speaker*innen und gehen in den Diskurs. Auch außerhalb dieses Zyklus sind wir im Austausch Wir werden auch selbst eingeladen als Speakerinnen und werden um Rat gefragt. Am Ende des Jahres gibt es ein Monitoringgespräch mit den Agenturen. Wenn wir dort merken, dass sich bestimmte Probleme wie ein roter Faden durch die Agenturen ziehen, nehmen wir das mit in eines der Netzwerktreffen.

Sarah: Habt ihr schon konkrete Verbesserungen oder Entwicklungen mitbekommen?

Isabel: Unsere neuste Umfrage ist das stärkste Indiz dafür. Wir wollten wissen was in den letzten 2 Jahren passiert ist. Die Umfrage war leider nur ein wenig besser als die vor zwei Jahren. Aber wenn es um das Ad Girls Club Manifest ging, dann können wir sagen, dass Agenturen, die auf dem Manifest stehen deutlich besser abgeschnitten haben.

Lisa: Wir haben auch gezielt abgefragt, was ist denn passiert in den letzten 2 Jahren? Hat sich die Branche in Bezug auf Gleichstellung und Gleichberechtigung seit 2020 ins Positive verändert? 67% der Teilnehmenden haben „ja“ gesagt. Das sind mit 2/3 zwar eine Mehrheit, aber wir freuen uns, wenn es zukünftig noch mehr wird.

Sarah: Das ist wirklich ein tolles Feedback! Habt ihr abschließend noch einen guten Rat und aufstrebende Kolleg*innen?

Lisa: Unterstützt euch! Haltet zusammen! Kommuniziert miteinander! Empfehlt euch! Bleibt sensibel und wenn es geht, laut!

Isabel: Ich würde hinzufügen: Kommt auf jeden Fall trotzdem in die Werbung. Auch wenn wir hier verstärkt das negative beleuchtet haben, gibt es einen Grund, warum wir für diese Branche kämpfen und sie besser machen wollen: Weil wir die Branche echt geil finden und es mega viel Spaß macht in der Werbung zu arbeiten.